Der Namensgeber
Hugo de Paganis, (französisch: Hugues de Payns, italienisch: Ugo dé Pagani) um 1074 in Nocera di Pagani geboren und um 1136 in Ferrara oder Palästina verstorben. »Payns« ist eine neuere Schreibweise, die auf eine Theorie aus dem 19. Jahrhundert zurückgeht, die auf die gleichnamige französische Gemeinde als Ursprungsort der Familie von Hugo de Payns anspielt. Hugo de Paganis war ein Edelmann, Ritter und religiöser Normanne, italienischer Abstammung und Gründer sowie erster Tempelritter-Großmeister. Vatikanische Dokumente verhärten die Annahme, dass er in Nocera in Süditalien geboren wurde. Nocera wurde Jahrhunderte später in Nocera dei Pagani umbenannt.
Bis in das 19. Jahrhundert wurde allgemein angenommen, dass der Gründer des Tempelritter-Ordens italienischer Abstammung sei. Paulin Paris veröffentlichte 1879 seine französische Übersetzung der Schriften des mittelalterlichen Historikers Wilhelm von Tyrus mit dem Titel: »Wilhelm von Tyrus und seine Anhänger, französische Text des 13. Jahrhunderts, redigiert und kommentiert von Herrn Paulin Paris«. Paulin Paris deutete die Transkription des lateinischen Namen »Hugo de Paganis« durch Wilhelm von Tyrus in seinem Werk in die altfranzösische Schreibweise »Hues de Paiens« als einen Hinweis darauf, dass es sich bei Hugo de Paganis um einen französischen Adligen aus der Gemeinde Payns handelt, und darum nahm er weiter an, dass es sich um die französische Champagne und nicht um das italienische Kampanien (gleiche lateinische Wortwurzel) handeln würde. Paulin Paris‘ Theorie fand in der akademischen Welt allgemeinen Anklang.
Hugo, Sohn von Pagano dei Pagani und Emma, wuchs wahrscheinlich zwischen Nocera und Forenza auf. Er und sein Cousin Alexander Amarelli meldeten sich bei der normannischen Armee von Altavilla, die am ersten Kreuzzug teilnahm. Leonardo Amarelli von Rossano hatte Ippolita dei Pagani, Schwester von Pagano dei Pagani, geheiratet, von der er zwei Söhne hatte: Alexander und Anzoise. Nach der Einnahme Jerusalems (1099) und dem Tod von Gottfried von Bouillon (1100) kehrte Hugo zurück.
1103 fiel sein Cousin Alexander mit 25 Soldaten auf einer Patrouille einem Hinterhalt zum Opfer. Umgehend setzte Hugo ein Kondolenzschreiben an seinen Onkel Leonardo auf, dem sogenannten »Amarelli-Brief«, um ihm den Tod seines Sohnes mitzuteilen; darin heißt es: »Ich habe meinem Vater in Nocera geschrieben, mir den Gefallen zu tun, nach Rossano zu kommen, um Ihre Herrschaft und Tante Ippolita Trost zu spenden […]«
Das ursprüngliche Dokument existierte noch bis 1869, wie durch die Schriften von Luigi Accattatis belegt ist. Historiker, Heraldiker und Enzyklopädisten ordnen Hugo de Paganis der Familie der Normannen von Pagano, den Herren von Forenza und den Patriziern von Nocera zu. 2018 erschien auf der italienischen Seite »www.siviaggia.it« ein Artikel mit dem Titel: »Die Ortschaft in der Basilikata, in der der Heilige Gral verwahrt wird«. Mit der Ortschaft ist Acerenza gemeint und der Artikel gibt eine Legende wieder, die in der Basilikata seit Jahrhunderten allseits bekannt ist. Es wird Hugo de Paganis zugeschrieben, dass er den Gral in die »Cattedrale di Santa Maria Assunta e San Canio Vescovo« in Acerenza verbracht haben soll. Die Kathedrale ist seit Jahrhunderten ein religiöser Anziehungspunkt. Bei der Basilikata handelt es sich um eine Provinz, die an die Provinz Kampanien angrenzt. Deren Provinzhauptstadt Matera ist 2019 Kulturhauptstadt Europas gewesen. Im zuvor erwähnten Onlineartikel wird darauf hingewiesen, dass die Legende weiter besagt, dass Hugo de Paganis zwar in Nocera aufwuchs aber im benachbarten Forenza geboren worden war, denn seine Familie hatte dort Besitztümer. Die süditalienischen Städte liegen etwa 170 km voneinander entfernt.
Auf einer Seite aus den vatikanischen Tagebüchern aus dem Jahr 1638 über Papst Gelasius II. steht: »[…] der italienische Ordensbruder Hugo de Paganis aus der Stadt Nocera bei Salerno.« Das ursprüngliche Dokument soll aus dem 12. Jahrhundert stammen. Gelasius II. war Papst von 1118 bis 1119.
Im Jahr 1105 befand sich Hugo wieder in Süditalien und brachte die Gebeine des Heiligen Jona mit sich. Der Heilige Jona war ein Mönch des Ordens des Heiligen Sabas von Mar Saba, der im fünften Jahrhundert als Einsiedler am Toten Meer in einer Grotte in der Wüste von Ruban und Kutila lebte und in Palästina sehr verehrt wurde. Die Gebeine des Heiligen Jona befinden sich noch immer in einem Altar der Kathedrale von San Prisco di Nocera. Hugo hatte die Gebeine nach Nocera gebracht, weil die Abtei von Cava de’ Tirreni im Nachbarort von Nocera ebenfalls aus einer Grotten-Tradition hervorgegangen war. Sie wurde um 1020 von dem salernitanischen Adeligen Alferio Pappacarbone gegründet. Er war ein in der Abtei Cluny ausgebildeter Langobarde, der sich 1011 zu einem Eremitenleben in diese Grotte zurückzog. Hier kann eine Verbindung von Süditalien nach Cluny in Frankreich verortet werden. Von der Abtei in Cluny spalteten sich im 11. Jahrhundert die Zisterzienser ab, zu denen später Bernard von Clairvaux zählte. 1115 gegründete er die Zisterzienser-Abtei in Clairvaux. Die Haltung von Alferio Pappacarbone zog viele Jünger an, die ein kleines Kloster bauten, der den Kern der heutigen Abtei bildet. Die Familie de Pagani war geschichtlich mit der Abtei verbunden.
Das berühmte Klosterarchiv enthält etwa 15.000 Urkunden seit dem 8. Jahrhundert. Die Bibliothek verwahrt viele bedeutende Handschriften und gehört zu den bedeutendsten kulturellen Einrichtungen Süditaliens. Nicht alle Dokumente sind gesichtet und dort könnten noch Funde zum Leben der Familie de Pagani sowie sicherlich auch zu den Tempelrittern gemacht werden.
Ab 1136 ging die Führung des Ordens an Robert de Craon über und die Quellen über Hugo werden spärlicher. Er kehrte wahrscheinlich nach Italien zurück und wurde in der Kirche von San Giacomo in Ferrara begraben, die von einem seiner Verwandten gebaut wurde.
Aufgrund fehlender Dokumente wird deshalb weiterhin eine Debatte über seinen Todesort und seine Grablege geführt. Wie aktuell diese Untersuchungen um die Tempelritter in Italien sind, sieht man z.B. am neunten Tempelritter-Großmeister Arnau de Torroja. Am 21. Februar 2018 fand man in der Kirche San Fermo in Verona sein Grab. Der Steinsarg wurde am 21. April 2018 der Öffentlichkeit präsentiert. Damit hat sich zumindest der Todesort und die Grablege des neunten Großmeisters bestätigt, was ebenfalls lange angezweifelt wurde, weil man auch bei ihm von Palästina ausging.